Die nächtlichen Regenfälle haben den Himmel gereinigt. Es sah alles nach einem wunderbaren Tag aus. Gute Fernsicht, frische Luft, am Anfang noch etwas kühl.
Wie erwartet führte die Strecke anfänglich unten durch das Rhonetal. Wege aus weichem Waldboden, helles Grün überall, die Rhone manchmal links, manchmal rechts der Strasse.
Die Idylle hätte perfekt sein können. Doch die Drohung des Höhenmeterprofils schwebte darüber. Nach Brig, da würde es steil werden. Richtig steil.
Es war eine Rampe, knapp unter 10 %, gut drei Kilometer lang. Die Hälfte der erwarteten Höhenmeter waren geschafft. Die Strasse wurde etwas flacher, bog in ein schmales Tal hinein. Aus dem Asphaltbelag wurde rutschiger Kies. Aha, ein Lawinenniedergang.
Hatte mir schon immer gewünscht, mit dem Rennrad irgend einmal zwischen hohen Schneemauern zu fahren. Lieber allerdings auf einem richtigen Pass, als auf rutschigen Bergsträsschen.
Die Strasse wurde zudem immer steiler. Ein zweiter Lawinenniedergang, der war aber bereits vollständig weggeräumt oder weggeschmolzen. Als das Strässchen definitiv zum Wanderweg wird, mache ich Mittagsrast. Die Höhe gemäss dem Profil habe ich bereits erreicht.
Der dicke Brocken kommt danach. Steile Abfahrt, wieder Aufstieg. Das GPS und GoogleMap behaupten ich sei auf der Bettmeralp. Die ist aber auf der anderen Seite des Tales (!?). Später habe ich dann festgestellt, das war das Stück zwischen Grengiols und Ausserbirn. Ich klettere über rutschige Wege hinauf, steiler und länger als am Genfersee in den Rebbergen. Nach jeder Kehre, meine ich, es sei fertig. Die Strasse wird nur noch steiler. Endlich kommt wieder asphaltierte Strasse unter die Räder. Abfahrt ins nächste Dorf, Ernen.
Die Tafel war unüberschaubar. Aber Winter war ja schon. Ich fahre dennoch, geht ja schliesslich hinunter. Bis mir diese Fussgänger entgegen kommen. Es sei kein durchkommen. Der Lawinenkegel liege dort, wo sonst eine Brücke sei, zudem sei er gespickt mit viel Holz.
Kehre um, fahre zurück, hinauf. Bis ich den Wegweiser “Hängebrücke” sehe. Ist ja wenigstens ein Versuch wert. Die Hängebrücke entpuppt sich als die “Gomser-Bridge”, neu gebaut, für Fussgänger. Die einzige Verbindung weit und breit auf die andere Seite des Tales.
Ich wollte es später doch nicht sein lassen, und bin in Niederwald, nach der nieder gegangenen Lawine, wieder auf den Radweg gewechselt.
Es ging weiter mit diesen unsinnigen Bögen des Weges in die Hügel hinauf. Über 20 KM schlechteste Strasse. Das GPS meldete “unbefestigter Pfad”. Das Bildchen mag noch ein bisschen Idylle ausstrahlen,
aber dahinter steckt knallharte Knochenarbeit. Wer sein Adventure-Bike mal austesten möchte, soll nur die Strecke von Brig nach Ulrichen fahren. Es ist alles dabei was ein Härtetest braucht. Vom weichen Waldboden, Wurzeln, gröbste Steine, steil hinauf, steil hinunter, enge Kehren, bis zu Schlaglöchern und gröbstes Kopfsteinpflaster. Er muss den Anhänger ja nicht unbedingt mitnehmen.
Als ich der Besitzerin vom Hotel sagte, dass der Rhone-Radweg schon ein bisschen höhere Anforderungen stelle, meinte sie, “er sei in der Tat noch nicht ganz fertig”. Anderseits habe ich beim Bahnhof Brig eine Routenempfehlung für die Rhone-Radroute gesehen, bin aber nicht wirklich draus gekommen. Habe mich deshalb einfach an meinen Original-Track gehalten. Das hat ja schliesslich über 800 KM funktioniert.
Und so wurden aus den erwarteten 600, vielleicht auch 800 Höhenmetern, plötzlich deren fast 1500.


Kommentare
3 Antworten zu „Chippis – Ulrichen“
Während all diesen Tagen seit Avignon wurde es langsam zu einer Art “Besessenheit”, möglichst viel vom Original-Track der Route zu fahren. Die Belohnung wartete tatsächlich ganz am Schluss auf der Furkapassstrasse. Der Blick über Gletsch, die noch junge Rhone, die Felswand des Rhonegletschers und das alles bei schönstem und sogar warmem Wetter, stehend zwischen hohen Schneemauern. Unbezahlbar!
So wurde der Weg, ohne dass ich das wirklich so geplant hatte, tatsächlich zum Ziel.
Hallo Urs
Da hast du dir eine grosse, schöne Herausforderung ausgesucht – und das nicht mit einem Mountainbike, dafür noch mit Anhänger ?. Unglaubliche Leistung, denn ich kenne diese Strecke??! Der Sommer wird wohl kaum reichen, den riesigen Lawinenkegel zu schmelzen. Bin gespannt auf deine weiteren Erlebnisse. Weiterhin gute Fahrt und lg ?☀️
Hallo Urs, ich weiss für dich gibt es einfach keine Hindernisse…? Fahre, schiebe, quäle weiterhin dein Rad… der Weg führt zum Ziel???