Monat: April 2006

  • Heimreise

    Die Heimreise treten wir heute morgen bei eher trübem Wetter an. Der Bus fährt uns von der Insel Usedom wieder aufs Festland. Unter anderem fahren wir durch teils kilometerlange Alleen, teils schnurgerade. Wir rumpeln aber auch über das letzte, noch nicht sanierte 60-jährige Autobahnstück. In Berlin – Tegel besteigen wir dann bei schönstem Sonnenschein unser Flugzeug nach Zürich.

    An dieser Stelle die letzte Schilderung im Zusammenhang mit der Insel Usedom

    Und dabei ist die Bäderkultur nicht einmal so alt. “Badegäste gehen unvernünftigerweise in das kalte Wasser, geben ihr Geld unnötigerweise aus und legen sich wider das Gebot eines gesunden Lebens in die pralle Sonne”. Den Fischern und Bauern war dies verständlicherweise unbegreiflich, denn kein Einheimischer begab sich freiwillig ins Wasser. Als der preussische Oberforstmeister und Begründer von Heringsdorf dies um 1820 erstmals mit offensichtlicher Freude am Usedomer Strand tat, erwog der örtliche Magistrat sogar, ihn ins Zuchthaus oder die Irrenanstalt zu stecken.

    Die ersten Badegäste liessen sich, geschützt vom Blick allfälliger Zuschauer und voll bekleidet in einem Badekarren ins seichte Wasser ziehen, zogen sich aus und stiegen dort von einem blickgeschützten Treppchen kurz und bibbernd ins Wasser, um schliesslich wieder hochgeschlossen im Trockenen aus dem inzwischen an Land gezogenen Wagen auszusteigen. Um den Beginn zum 20. Jahrhundert wurden in den Seebädern Badehäuser mit Umkleidekabinen und Treppen ins Wasser gebaut, strikt getrennt nach Geschlechtern und mit jeweils einigen hundert Metern Abstand zwischen Frauen- und Männerbad. Man badete nackt, so wie es der Arzt verordnet hatte, denn das Tragen von Kleidern ist durchaus schädlich, verhindert ein schnelles Abtrocknen und gibt sehr leicht zu Erkältungen Anlass.

    Nach dem ersten Weltkrieg lockerten sich die Badesitten, zumindest was die getrennten Badehäuser anging. Man tummelte sich frei am Strand und ruhte sich im Strandkorb aus. Die überflüssigen Badehäuser wurden abgerissen. Die Bekleidung unterlag jedoch festen Vorschriften. Noch 1933 galt: “Das öffentliche Nacktbaden ist untersagt, und Frauen dürfen nur öffentlich Baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist.”

    In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Badesitten von allen Vorschriften entfernt. Es wurde nackt gebadet oder auch im schicken Badedress. Das hat sich nach der Wende jedoch wieder gründlich geändert. Nun gibt es ausgewiesene FKK-Strände, fein abgegrenzt und ausserhalb der Sichtweite familiärer Badeorte.

  • Zinnowitz – Kölpinsee – Zinnowitz

    Den heutigen Tag begannen wir bei wiederum schönstem Sonnenschein mit einer kurzen Fahrt auf der Usedomer Bäder Bahn in Richtung Süden bis nach dem Seebad Kölpinsee. Den Nachmittag hatten wir zur freien Verfügung und bummelten etwas kreuz und quer durch unseren Ferienort Zinnowitz.

    Eine knappe Viertelstunde trug uns der Zug nach Süden der Küste entlang, bevor wir ihn wieder verliessen. Nach einem Abstecher auf den nahen Damm zur Ostsee hin, beginnen wir mit der Umwanderung des Kölpinsees. Auch dies ein Süsswasser-See. Alle paar Jahrzehnte wird er allerdings von Sturmfluten aus der Ostsee überrollt. So das letzte Mal zum Beispiel 1995/96 und davor 1912/13 und 1905/06. Dies obwohl die Dämme laufend erhöht und verstärkt werden. Der See und die Gegend darum herum stehen heute unter einem Flächen-Naturschutz. Offensichtlich dient der See vielen Schwänen als Brutstätte.

    Zum Mittagessen waren wir wieder in Zinnowitz zurück. Kaffee und Kuchen wird hier auch in vielen Restaurants angeboten. Aber wenn am Tisch daneben gebratene oder frittierte Welse und Heringe angeboten werden, schmeckt mir auch der Kuchen nicht mehr. (Ein bisschen Esskultur sollte es schon noch sein und dann passt Kuchen und fischeliges Öl eben nicht zusammen.) Gleichzeitig verdunkelte sich auch das Wetter. So machten wir uns auf die Suche nach einem passenden Lokal. Wir wurden dann im Café Marimar, Untertitel “für Menschen mit besonderem Geschmack” fündig und bestellten unsere eigene Mischung von Blechkuchenstückchen und Kaffee.

    Geschichtliches zu Zinnowitz: Zinnowitz muss es schon länger gegeben haben, als es erstmals 1309 als Tsyz (aus dem slawischen für Korn) erwähnt wurde. Über die Jahrhunderte machte es seinen normalen Usedom-üblichen und ärmlichen und kriegszerrütteten Weg. Ein erster wirtschaftlicher Anlauf um 1750 unter preussischer Herrschaft verlief aber im Leeren. Erst 100 Jahre später, 1851, stellten die Zinnowitzer, angeregt durch die Erfahrungen in den benachbarten Badeorten Heringsdorf und Swinemünde (Polen), den Antrag, ebenfalls ein Badekurort werden zu dürfen. Badekarren wurden angeschafft und ein Hotel namens Wigwam erstellt. Sogar eine Backsteinkirche wurde erbaut. Aber so richtig wollte das Geschäft mit den Badenden nicht anlaufen. Nobelster Besuch war der letzte Kronprinz der Preussen der hier einen Kuraufenthalt verbrachte. Ihm zu Ehren wurde das Strandhotel in “Preussenhof” umbenannt. Das selbe Gebäude wurde dann während des 2. Weltkrieges von der IG Bergbau übernommen, umgebaut und zum Bergarbeiterheim “Glückauf” umbenannt. Das stilvoll restaurierte Haus heisst heute wieder Preussenhof.

    Der “Braunen Gesinnung” auch deutsch-national genannt, war Zinnowitz nie ganz abgeneigt. Im Gegenteil: 1920 forderten Kurgäste und Einheimische, dass das “rein deutsche Gepräge” zu erhalten sei. Ausländer, insbesondere Juden, waren unerwünscht. Es ging dann allerdings doch schneller und vermutlich auch in eine etwas andere Richtung als sich dies die meisten erhofft hatten. Im Zusammenhang mit der Peenemünder Raketenforschung wurde Zinnowitz ebenfalls in den militärischen Sperrbezirk einbezogen. Statt der zahlenden Badegäste mieteten sich nun die leitenden Angestellten der Anlage im Seebad ein, darunter auch Wernher von Braun. In den Sanddünen wurden Funkmessstellen und im Wald Abschussrampen für die V1-Raketen erstellt.

    Nach den ersten wirren Kriegsjahren kam dann endlich die grosse Zeit für Zinnowitz. Der Ferienort wurde zum “Ersten Seebad für Werktätige” erklärt. Die Enteignungswelle rollte über Zinnowitz. Nun reisten die Kumpel aus den Uranerzbergwerken des Erzgebirges mit ihren Familien heran, um ihre ruinierte Gesundheit mit Zinnowitzer Seeluft ein wenig zu kurieren. Gigantische Bauten wurden errichtet, um die werktätigen Massen unterzubringen, zu versorgen und zu unterhalten. Dazu gehörte das Kulturhaus, die Sportanlagen, die dann als nationales Trainingszentrum für Spitzensportler und Olympiakader genutzt wurden, wie auch das Hotel Roter Oktober, das heute modernisiert Hotel Baltic heisst.

    Aktuelles zu Zinnowitz: Zinneowitz hat heute etwa 2770 Einwohner und 58 Restaurants. Auch in Zinnowitz wurde nach der Wende kräftig gebaut, umgebaut, restauriert und renoviert. Zinnowitz hat seine Ostseebühne mit alljährlich stattfindenden Theatern über die Legende der untergegangenen Stadt Vineta. Die Blechbüchse, ein Theater mit ansprechendem Programm und diversen Operetten, Komödien, Kinderstücken aber auch den Klassikern von Schiller oder Shakespeare. Selbstverständlich gibt es auch eine Seebrücke (315 Meter lang), welche ihren Anfang in der Strandpromenade nimmt, welche ihrerseits wiederum in diverse Einkaufsstrassen, den beliebten Flaniermeilen mündet. Auch ein Bademuseum gehört hierhin. Das Hotel Baltic hat eine Bernsteintherme, eine Badelandschaft, die den Begriff “Wellness” in die Praxis umsetzt, erhalten. Auch das Hotel Baltic, sieht zwar äusserlich mit seiner mächtigen blau verglasten Front nicht wirtlich zierlich aus, dafür ist man als Gast in jeder Beziehung sehr gut bedient. Service, Freundlichkeit und Angebot stimmen. Kaum etwas, lässt hier die Vergangenheit durchschimmern. Das kann ich gut beurteilen, denn wir haben uns hier schliesslich eine Woche lang bedienen lassen und haben uns wohlgefühlt.

    Im Verlaufe des Nachmittags hellt das Wetter (ohne Regen) wieder auf und wir geniessen diesen letzten Nachmittag an der, von einer Nordostbise gewellten, leicht schäumenden, Ostsee (10 Grad Lufttemperatur, 2 Beaufort Windstärke bei nordöstlicher Richtung wird angezeigt).

    Hotel Baltic, Zinnowitz, unser Heim für eine Woche. Oberste blaue Etage, etwa in der Mitte

  • Ausflug aufs Festland nach Greifswald

    Bei schönstem Frühlingswetter starteten wir heute morgen unseren Ausflug aufs Festland. Da wir wieder unseren lokalen Busfahrer zugeteilt erhielten, führte er uns so richtig durch das Hinterland, an manchem Fischerdörfchen, mancher Landbeiz und manchem geschichtsträchtigen Örtchen vorbei.

    Während der Fahrt zeigt und erklärt uns der Chauffeur einige Details zu Landwirtschaft, Fischerei und Gewerbe. So sollen zu DDR-Zeiten die vielen grossen Wiesen regelmässig be- und entwässert worden sein und damit die Rinderzucht, Schweinemästerei und Schafzucht von 10’000 von Tieren ermöglicht haben. In der Nähe von Greifswald fahren wir auch an einem ehemaligen Atomkraftwerk vorbei, dessen letzter, von 6 Reaktoren, erst kurz vor der Wende ans Netz angeschlossen wurde. Er soll nur gerade 18 Tage Strom produziert haben, bevor die ganze Anlage abgestellt wurde. Die Anlage dient heute noch der Forschung im nuklearen / medizinischen Bereich und soll demnächst zu einem Erdgaskraftwerk umgebaut werden.

    Den Tag verbrachten wir auf dem Festland in Greifswald. Einen kurzen geschichtlichen Abriss über die Stadt, ihre drei Kirchen (Marienkirche, Nikolauskirche und die Jakobskirche), die drei grossen Plätze (unter anderem den Marktplatz), dass sowohl Stadt wie auch das umgebende Land und die Inseln kriegerische Jahrhunderte unter und gegen wechselnde Herrscher erlebten, dass es heute die 10. grösste Universitätsstadt Deutschlands ist und deshalb etwa 18’000 Studenten beherbergt, nebst den eigenen 45’000 Einwohnern, dass die ganze Gegend, ausser Peenemünde, fast keine schlimmen Kriegsschäden aus Bombardierungen abbekommen hat, erhalten wir von einem kundigen Stadtführer.

    Das Mittagessen nehmen wir auch heute in einem Kaffeehaus ein. Ein weiteres mal “Kaffee und Kuchen”. Die Auswahl an Blechkuchen, Streuselkuchen, Strudeln und Torten grenzt an Kindheitserinnerungen von Schlemmerland.

    Beim anschliessenden Stadtbummel fallen uns die vielen Velofahrer auf. Nicht nur die Studenten, sondern Alt und Jung scheint hier mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Sogar Velo-Taxis gibt es. Dreirädrige, gedeckte, auf den ersten Blick einem Liegevelo nicht unähnliche Fahrräder, meist gefahrenpedalt von der nächst jüngeren Generation. Viele Teile der Innenstadt sind Fussgängerzonen, in einigen Teilen ist dann sogar der Veloverkehr eingeschränkt.

    Gegen Abend werden wir von unserem Bus wieder abgeholt. Ein paar Fotos von der Klosterruine Eldena und anschliessend Fahrt zurück auf die Insel in unser Hotel nach Zinnowitz.

    Den Abend beschliessen wir mit einem Strandspaziergang. Da es fast windstill und immer noch recht hell ist, können wir heute Abend sogar auf die Seebrücke von Zinnowitz hinausspazieren. Das sind immerhin 315 Meter Schiffsteg über einer, für diesmal ruhig daliegenden Ostsee. Als wir zurückkommen, zeigt die Wettertafel gerade noch 5 Grad, bei Windstille und immer noch klarem Himmel an.

  • Kirchen und Entstehung Usedoms

    Heute erkunden wir Lieper Winkel, eine weitere Halbinsel Usedoms. Dabei machen wir eine Wanderung auf dem Damm gegen das Achterwasser hin, besichtigen ein paar Kirchen, einen Kuchentempel und kommen dort in den Genuss von Kaffee und Kuchen, und erfahren sonst noch einiges über Usedom und seine Entstehung.

    Die Wetterprognose für den heutigen Tag lässt keine Sonne erwarten. So fahren wir denn im Bus durch einen Regenschauer zu unserer ersten Wanderstrecke. Der Buschauffeur benutzt vorwiegend Klein- und Kleinststrassen. Er klärt uns über die Entstehung und Geographie der Insel auf, führt uns wiederum an schmucken aber auch an baufälligen Häusern und Häuschen vorbei, rumpelt über einige baufällige Strassenabschnitte bis wir an unserem Startort ankommen.

    Usedom entstand auf einer Endmoräne der letzten Eiszeit. Die skandinavischen Gletscher liessen hier ihre Steine liegen und wuschen recht schöne Wannen aus dem Boden heraus. Dies könnte erklären, weshalb auf der Insel doch recht viel Gestein herumliegt, aber auch weshalb die Insel einen so welligen Boden aufweist. Der höchste Punkt liegt immerhin 62 Meter über dem Meer. Die Insel hat einige grosse Süsswasserseen aufzuweisen. Die Insel weist eine Fläche von 445 KM2 auf und ist nach Rügen die zweitgrösste Insel Deutschlands. Die Insel ist sehr dünn besiedelt, ca 30’000 (ohne den polnischen Teil) Einwohner, vorwiegend verteilt in kleinen Dörfern mit oftmals weniger als 100 Einwohner. Zur Zeit wandern mehr Einwohner aus als ein. In den Sommermonaten bringt der Tourismus allerdings etwa 1’000’000 (eine Million) Besucher. Die Landwirtschaft ist auf dem absteigenden Ast, die Fischerei ist praktisch bedeutungslos, die Arbeitslosenquote ist mit über 20% die Höchste Deutschlands. Über 60% der Beschäftigten sind im Dienstleistungsgewerbe tätig. Der Tourismus ist zumindest der Küste entlang die Haupterwerbsquelle. Kaum ein Privathaus, das nicht auch noch ein Zimmer vermietet. Sämtliche Angebote sind tourismusorientiert. Dies dafür mit offenbar grossem Erfolg.

    Unsere Wanderung führt während knapp zwei Stunden auf einem Damm entlang linksseitig dem Achterwasser und rechts abwechselnd an weidenden Kühen mit ihren Kälbern, lichten Wäldern und vereinzelten Dörfern vorbei. Der Reiseführer beschreibt die Strecke als Oase der Ruhe. Ausser dem Zwitschern von ein paar Vögeln, dem leisen Knistern im, vom Wind bewegten Schilf und dem Brummen eines Traktors in weiter Ferne, herrscht hier fast absolute Stille.

    Nach einer kurzen Busfahrt besichtigen wir in Liepe die älteste bezeugte Kirche Usedoms. Der Feld- und Backsteinbau mit frei stehendem Glockenstuhl wurde Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet. Ich habe übrigens festgestellt, dass die Glockenstühle sehr oft direkt neben der Kirche auf den Boden, statt hoch oben in einen Kirchturm, gestellt werden.

    Zum Mittagessen werden wir nach Mellenthin gefahren. In einem Wasserschloss befindet sich eine grössere Kuchenbackerei. Das Eintrittsgeld für das Schloss wird, sofern man dort einen Kuchen oder eine Waffel kauft, mit der Konsumation verrechnet. Da müssen wir natürlich zuschlagen, denn endlich komme ich zu meinem ersehnten “Kaffee und Kuchen”. Übrigens gibt es in diesem Schloss nichts weiteres zu besichtigen, als eben dieses Restaurant. Die übrigen Etagen und Gebäude werden zur Zeit saniert. Es dürfte aber noch ein paar Jahre dauern, bis die Renovationsarbeiten abgeschlossen sind.

    Auch Mellenthin hat eine alte Kirche. Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert, ist erbaut aus Feldsteinen, hat ein Kreuzgewölbe und Fresken. Die reiche Innenausstattung mit Darstellungen aus verschiedenen Jahrhunderten, ist in der schummrigen Dunkelheit kaum auszumachen. Da gibt sich das Storchenpaar auf dem Haus nebenan deutlich fotogener.

    Die letzte besuchte Kirche für heute steht in Benz. Sie wird erstmals 1229 erwähnt, die Innenausstattung stammt aus dem 18./19. Jahrhundert, wurde 1991/92 renoviert. Bemerkenswert ist die gemalte Kassettendecke.

    Auf dem Heimweg umwandern wir noch den Wolgast-See. Die Zürcher in unserer Gruppe sahen sich spontan an den Türlersee gestellt. Bei der Umwanderung allerdings streiften wir im untersten Teil die grüne Grenze zu Polen.

    Erst auf dem Heimweg im Bus, klatschten wieder ein paar Regentropfen an die Scheiben. Auch beim heutigen abendlichen Spaziergang nach dem Nachtessen auf der Seepromenade, zieht zwar ein kühler Wind über die schäumende Ostsee bei gerade mal 7 Grad. Aber es ist (vorerst noch) wieder trocken.

  • Besuch der Kaiserbäder

    Am Morgen, es geht gerade ein leichter Nieselregen über der Gegend nieder, besteigen wir wieder einmal die Niederflurwagen der Usedomer Bäder Bahn. Sie bringt uns heute in den südöstlichen Teil der Insel, zu den Kaiserbädern. Wir verlassen den Zug in Bansin und wandern anschliessend über Heringsdorf nach Ahlbeck. Jede der drei Ortschaften hat ihre ganz eigene Entstehungsgeschichte, dennoch haben sie alle gemeinsam, dass sie jeweils eine Seebrücke aufweisen, alle in den Zirkel der Kaiserbäder gehören und alle miteinander mit einem langen Promenadenweg miteinander verbunden sind.

    Auf dem Weg von Zinnowitz nach Bansin fährt der Zug an manchem schmucken Häuschen vorbei. An der schmalsten Stelle der Insel ist kurz nacheinander sowohl die Ostsee wie auch das Achterwasser (Wasserfläche zwischen der Insel und dem deutschen Festland) sichtbar. Auffällig ist, dass vielerorts gebaut oder wenigstens restauriert wird. Sie dies an Häusern oder Anlagen der Bahn.

    Der Fussweg in Bansin vom Bahnhof zur Strandpromenade führt uns auch am Haus mit dem Gedenkatelier an Rolf Werner vorbei, einem in der ex DDR offenbar berühmten Maler. Er hat seine Werke mit Öl gepinselt und wie mir scheint vor allem im Bereich der Naivmalerei. In seinem Atelier können mehr als 1000 Werke des Künstlers besichtigt werden.

    Bansin: Nach der Christianisierung gehörten Land und Siedlung zum Kloster Padagla und nach der Reformation ging der Besitz in die Hände der Familie Labahn über. Es war ein winziges Dorf mit nur gerade zwei Dutzend Bauernhäuser, für deren Bewohner der Strand kaum von Bedeutung war. So verkauften sie denn auch den landwirtschaftlich unergiebigen Streifen Land an die Delbrück AG, die bereits Ahlbeck und Heringsdorf erschlossen hatte. Als die Bauern allerdings sahen, wie die Ahlbecker und Heringsdorfer am aufblühenden Bädertourismus verdienten, gründeten sie 1896 eine Badegenossenschaft und kauften ihr Land zu überhöhten Preisen wieder zurück. 1901 erhielt die neue Siedlung am Meer bereits die Anerkennung als Seebad und 1923 war Bansin das erste Bad mit Freibadeerlaubnis. Die kostspielig zu unterhaltenden Badehäuser konnten dann demontiert werden und man konnte sich fortan im Badeanzug auf dem Strand tummeln. In Anlehnung und als Steigerung zu Ahlbeck (Volksbad) und Heringsdorf (Luxusbad) nannte sich Bansin das “Adelsbad”.

    Heringsdorf: Das Seebad Heringsdorf wurde von Georg Bernhard von Bülow um 1817 gegründet. Ein winziges Dorf namens Neukrug wurde an der selben Stelle seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen. Bülow siedelte zunächst Fischerfamilien auf dem Küstenstreifen an, weniger aus Nächstenliebe, sondern weil es zu dieser Zeit eine staatliche Förderung zur Strandfischerei und dem Einsalzen von Heringen gab. Als König Friedrich Wilhelm III. mit zweien seiner Söhne – Friedrich Wilhelm, später der IV. und Wilhelm, später Kaiser Wilhelm I. – 1820 das Salzhüttendorf besuchte, wurde der junge Kronprinz gefragt, welchen Namen er der neuen Siedlung geben wolle. Angesicht der Fischfässer fiel ihm nicht Besseres ein als “Heringsdorf”. Bülow liess 1824 die Bülowsche Badeanstalt einrichten und sich selbst ein Jahr später in den Hügeln oberhalb des Strandes eine Villa bauen. Bülow legte Wert darauf, dass nur Gäste der Hautevolée in seinem Heringsdorf die Sommerfrische genossen. So war auch die königliche und später kaiserliche Familie aus Berlin häufig Gast in dem rasch aufstrebenden Badeort. Ihnen folgten Offiziersfamilien aus dem Kleinadel, höhere Beamte und schliesslich Künstler, die allesamt dem Ort ein Flair von Noblesse verliehen. Was lag näher, als sich Kaiserbad zu nennen? Dennoch wurde Heringsdorf kein Ziel des Massentourismus. Der Ort blieb lange Zeit ein Luxuskurbad, in dem sich Hoch- und Geldadel sowie alle, die in Preussen etwas auf sich hielten und natürlich über die entsprechenden Finanzen verfügten, eine Villa bauen liessen. Es gab 1907 eine Pferderennbahn, ein Spielcasino und eines der grüssten Luxushotels an der gesamten Ostseeküste, das Kaiserhof Atlantico.

    Ahlbeck: Um 1700 wurde an der Beek, einem Flüsschen das heute unterirdisch Ahlbeck durchfliesst, eine Wassermühle gebaut. Ein paar Bädner siedelten sich dort an und gründeten eine Art Dorf, das Ahlbeck getauft wurde, weil es in der Beek viele Aale gegeben haben soll. Mitte des 19. Jahrhunderts entschlossen sich auch die Ahlbecker am florierenden Tourismus teilzuhaben. In der Anfangszeit musste noch in einem Badezelt ins Wasser eingetaucht werden. 1874 entstand die erste Unterkunft. Doch erst ab 1882 entstanden parallel zur Promenade die ersten Pensionen und Hotels, in der Regel mit Angeboten in der günstigeren Preisklasse. Im Gegensatz zu Heringsdorf wollten die Ahlbecker vor allem die breite Mittelschicht anlocken.

    Mein eigener, ganz persönlicher Eindruck aus dem Spaziergang auf der Uferpromenade der Kaiserbäder: Mit Beginn der Nazizeit wurden die meisten der Häuser “zweckentfremdet”, beziehungsweise jedermann zugänglich gemacht. Eine der Konsequenzen davon war, dass wahrscheinlich kein einziger Bau fachgerecht unterhalten wurde. Vieles begann zu zerfallen. Einzelne Bauten wurden in der bekannten Plattenbauweise erst neu erstellt. Beim heutigen Spaziergang haben wir sehr viele, sehr schöne und prunkvolle Hotels und Villen gesehen. Manchmal fast unvorstellbar, dass in so kurzer Zeit seit der Wiedervereinigung soviel und so gut renoviert und Instand gestellt wurde. Selbst die Plattenbauten wurden “verziert” mit Giebeln und Schnörkeln. Man würde der Geschichte nicht glauben, ständen dazwischen nicht einzelne Häuser, bei denen die Besitzesverhältnisse noch nicht geklärt sind und an denen deshalb auch noch nichts renoviert wurde. Unübersehbar auch die “zweite und dritte Reihe” hinter der prachtvollen Front. Das übliche triste Bild von undichten Dächern, zerbrochenen Fensterscheiben, überwucherten und ungepflegten Gartenanlagen. Das, was man von der Uferpromenade her sieht, bis eben auf einzelne Ausnahmen, könnte ebensogut vielleicht in England oder einem anderen Land mit Bäderkultur stehen, ohne natürlich die ungeregelten Besitzesverhältnisse. Die Uferpromenade während manchen Kilometern ist Naherholungsgebiet vom Feinsten. Es ist wie oben beschrieben tatsächlich so, dass Bansin und Ahlbeck vielleicht eher das etwas günstigere Angebot haben, während in Heringsdorf, selbst das Flanieren auf der Promenade eher ein sehen und gesehen werden darstellt, vor allem im Sommer, wenn dann die Touristen die Promenade vollends in Besitz nehmen.