Als Aargauer unterwegs

Spass auf schmalen Reifen

Modelleisenbahn und Finanzkrise

Haben die beiden Begriffe überhaupt etwas gemeinsam? Ausser, dass heute in der Tageszeitung beide auf der ersten Seite erwähnt wurden? Bei der Finanzkrise haben wir uns ja mittlerweile daran gewöhnt, dass sie sehr prominenten Eingang in so ziemlich alle Print- und Onlinemedien gefunden hat. In den letzten Tagen, wenn in der Schweiz sozusagen ein Generationenwechsel in der Führung des einen Finanzinstituts ansteht, ein Generationenwechsel hin zu denen, die fast unsere Väter sein könnten, erhält das Thema noch mehr Auftrieb. Die Modellbahn, gemeint ist hier im Speziellen Märklin, DAS eigentliche Symbol, eines jeden Modelleisenbahners, tritt weniger häufig auf, aber seit einiger Zeit immer öfter und vor allem mit schlechten Nachrichten. So musste jetzt die Insolvenzerklärung abgegeben werden. Der Prellbock am Ende des Geleises scheint in Sichtweite zu stehen.

Und doch ist der Zusammenhang von Modelleisenbahn und Finanzkrise grosser als wir meinen.

Dazu vielleicht folgende Erklärung: früher, als wir noch jung waren, beschäftigten wir uns tagelang mit Spielwaren, im Speziellen vielleicht mit der Modell-Eisenbahn des Vaters, oder vielleicht haben wir zu Weihnachten auch eine eigene geschenkt bekommen. Die Eltern vertrauten darauf, dass wir uns hier mit etwas Sinnvollem auf sinnvolle Weise beschäftigen, etwas daraus lernen, für das spätere Leben. Wir haben herumexperimentiert. Mit dem Strom, mit der Fliehkraft, mit der angehängten Last, mit der Kraft der Lokomotiven. Die Bergfahrten wurden immer steiler, so lange bis alle Räder an der Lok durchdrehten. Es musste eine zweite Lok her, eine mit Gummiringen an den Rädern (aber auch nicht zu viel, denn der Fahrstrom wurde ja über die Räder aufgenommen). Die Züge wurden wieder länger, die Talfahrten und die Kurvenfahrten rasanter. Irgendeinmal war die Talfahrt nicht mehr zu Bremsen, der ganze Zug flog aus der Kurve, vielleicht an die Zimmerwand, jedenfalls auf den Boden. Kaum jede Kupplung, jeder Stromabnehmer, jedes Detail hat diesen Sturz überlebt. Bald beknieten wir unsere Väter um eine Reparatur, vielleicht um mehr Sackgeld und vielleicht auch um Verzeihung. Wir versprachen Besserung, entschuldigten uns.

Was hat das nun mit der Finanzkrise zu tun? Unsere Urgrossväter haben vor vielen Jahren einmal das Tauschgeschäft standardisiert. Über viele Jahre hinweg haben sich viele, teils nur lokal gültige Münzen als Gegenstück im Tauschhandel durchgesetzt. Auch hier wurde während Jahrhunderten experimentiert und vereinfacht. Ein richtig transparentes System wurde aufgebaut. Mit der Zeit übergaben die Väter dieses Werk ihren Jungen. Diese experimentierten weiter, versuchten weiter, vereinfachten hier und dort, machten aber auch stellenweise die ganze Sache so kompliziert, dass kaum mehr einer den Durchblick hatte. Das System bestand ein paar kleinere Erschütterungen. Man wurde mutiger, baute noch schneller, noch kompliziertere Kartenhäuser. Man klopfte sich gegenseitig kräftig auf die Schulter, man lobte sich, man begann das System auszunützen.

Irgendeinmal war da eine ErschĂĽtterung, die ersten Häuschen brachen zusammen. Die Väter reichten gĂĽnstiges Geld nach zum Wiederaufbau. Aber die Jungs bauten kräftig an ihren Modellen und Luftschlössern weiter, immer gewagter, immer schneller, immer höher. Das Karussell drehte so richtig schnell, “no risk no fun” war die Devise. Und viel Risk bedeutete auch viel Geld, viel Lohn, viel Prämie.

Dann kam eine grössere ErschĂĽtterung, der Zerfall war nicht mehr aufzuhalten. Man beschönigte, “alles nicht so schlimm, das kommt schon wieder”. Mittlerweile ist nicht mehr nur der Stromabnehmer, oder die Wagen-Kupplung, oder ein kleines Detail kaputt. Mittlerweile reicht auch kein Sackgeld mehr, um den Schaden zu flicken. Ganze Industrien versinken im Sumpf, 100e, ja 1’000e von Milliarden, (wobei es nicht mehr drauf ankommt, wessen Geld gemeint ist) werden abgeschrieben oder in die Reparatur gesteckt.

Und jetzt? Wieder stehen wir vor denen die fast unsere Väter sein könnten, wieder betteln wir um Hilfe, wieder hoffen wir, vielleicht auch vertrauen wir darauf, dass unsere Vorfahren eine Lösung haben, den Schaden flicken können.

Irgendwie beginne ich mich für unsere Generation zu schämen. Zu schämen vor unseren Vätern die Grandioses aufgebaut haben und das wir nun, aus welchen Gründen auch immer, nicht aus eigener Kraft fortsetzen können.

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Autor: Urs

Würde mich eher als Tourenfahrer bezeichnen. Radfahren war schon in der Jugendzeit meine Leidenschaft. Doch auch dann schon eher für lange Ausflüge. Mit der Zeit gesellten sich die Fotographie dazu und teilweise beruflich bedingt auch das Interesse an IT, an Software. Damit war der Grundstein für dieses Weblog gelegt. Seit dem Jahre 2004 schreibe ich hier ziemlich regelmässig über meine Fahrten.

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